Ein Beitrag über die Notwendigkeit von Fällen wie diesen zu lernen und den Prozess zur Vermeidung solcher Taten weiterzuführen
Unter großem medialem Interesse sowie, teilweise hochemotionaler, Anteilnahme von Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichen Ansichten und Meinungen zum Thema wurde der beschuldigte und auch geständige Florian Teichtmeister rechtskräftig für schuldig gesprochen. Die mit dem Fall betraute Staatsanwältin wird keine Rechtsmittel anmelden und somit bleibt es beim Urteil von zwei Jahren bedingt für das Beschaffen von rund 76.000 Dateien mit Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendlichen.
Im Zeitraum von 2008 bis 2021 hat er auch rund 35.000 dieser Bilder in Form von Collagen, Textanmerkungen und Diashows verändert. Der Verurteilte soll seine im Jahr 2021 begonnene Psychotherapie fortsetzen und weiter eine psychiatrische Behandlung gegen seine Pädophilie, welche er zumindest mit dem Sammeln von gesetzlich verbotenem Material aus dem Internet befriedigt hat, absolvieren. Ergänzend muss Florian Teichtmeister jeden zweiten Monat dem Gericht nachweisen, dass er weiterhin keinen Alkohol und keine Drogen konsumiert.
Dieses Urteil förderte eine Menge an verschiedenen Reaktionen zu Tage.
Für einen Verteidiger, Rudolf Mayer, des ehemaligen Burgschauspielers war die Urteilssprechung des Schöffensenats sowohl täter- als auch opfergerecht. Auch, da die Staatsanwältin Julia Kalmar keine Rechtsmittel beantragt hat.
Es stellt sich die Frage, ob sie von den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen, Peter Hofmann, überzeugt wurde, oder aus Gründen der Aussichtslosigkeit auf Erfolg darauf verzichtet hat. Schließlich wurden in der Urteilsbegründung durch den Schöffensenat-Vorsitzenden und Richter Stefan Apostol als mildernde Gründe auch die Anfeindungen, Bedrohungen von Teilen der Bevölkerung genannt.
Von einigen Politiker*innen und Mitmenschen wurde dieses Urteil ganz anders aufgenommen und interpretiert. Und für die Menschengruppe, die mit einem selbstgebastelten Teichtmeister-Galgen für eine größtmögliche Bestrafung demonstriert hat, muss dieses Urteil wohl ein „Schlag ins Gesicht“ gewesen sein, wie es ein Journalist treffend niedergeschrieben hat.
Wie wirkt dieses Urteil auf Menschen mit erlittener Gewalt und erlebten sexualisierten Übergriffen, fragen wir uns.
Vertrauen haben in das rechtsstaatliche System und die wissenschaftlichen Experten*innen
Auch wenn es für manche von uns Kinderschützer*innen, Väter, Mütter und jene Menschen, die mit Kindern in täglichen Kontakt stehen, unvorstellbar erscheint, dass man für solche Taten eine bedingte Strafe erhält und auf „freiem Fuß“ seine Therapien und gerichtlichen Auflagen erfüllen darf. Das Ergebnis in diesem offensichtlich korrekt geführten und fairen Verfahren (kein Einspruch der Staatsanwaltschaft) ist zur Kenntnis zu nehmen.
Die Staatsanwältin hat den von Gericht bestellten psychiatrischen Sachverständigen, Peter Hofmann, nicht beanstandet, obwohl dieser mit seinen Äußerungen bei den Anhörungen zu den Vorfällen im Stift Admont und den Gutachten mit Diagnosen über drei Geschwister, welche von ihrem Vater misshandelt wurden, ohne die betroffenen Kinder jemals gesehen, gesprochen, untersucht zu haben, für Aufsehen gesorgt hat. Wir hoffen, dass das im Fall Teichtmeister besser abgelaufen ist.
Doch eines steht fest und sei hier klar gesagt: Lynchjustiz sollte im 21. Jahrhundert wirklich und auf alle Fälle der Vergangenheit angehören und ist dem Schutz von Kindern und deren Entwicklung nicht dienlich!
„Niemand wusste von dem“
Ist die Aussage von Florian Teichtmeister über sein Sammeln, Besitzen, Erstellen von Bildern und Filmen mit Inhalten von missbrauchten Kindern und Jugendlichen. Die meisten von ihnen waren unter 14 Jahre alt. Er gab an, dass seine erlittene Pornografie- und Kokainsucht hierfür Verantwortung trägt.
Schwierig bis kaum zu glauben, dass bis zur Aufdeckung durch seine damalige Lebensgefährtin wirklich niemand darüber Bescheid gewusst hat.
Was haben die zuständigen Kriminalbeamten und Behörden herausgefunden? Von wem, durch wen, mit wem konnte Florian Teichtmeister Bild- und Filmmaterial erhalten? Gab es vielleicht Material-Tauschgeschäfte?
Der Prozess, um geeignete Maßnahmen zum präventiven Schutz von Kindern vor Missbrauch „endlich“ zur Umsetzung zu bringen, muss weitergehen.
Für den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Missbrauch sind Erwachsene verantwortlich und niemals Minderjährige. Daher sollten sich präventive Maßnahmen an erster Stelle an Erwachsene richten.
Verordnungsentwurf der EU zur Prävention und Bekämpfung von Kindesmissbrauch im Internet umsetzen
Laut einer von ECPAT Österreich veröffentlichten Umfrage in 27 EU-Mitgliedsstaaten gaben 96% (sechsundneunzig Prozent) der Befragten an, dass die Möglichkeit, Kindesmissbrauch aufzudecken, wichtiger oder gleich wichtig ist wie das Recht auf Online-Privatsphäre. In Österreich unterstützen 81% der Befragten den Vorschlag der Kommission zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs im Internet.
Schutzkonzepte, eine wichtige Säule im Kinderschutz
Es braucht mehr als die Aufdeckung und Entfernung von Kindermissbrauchsdarstellungen (CSAM – Child Sexual Abuse Material). Täter*innen sind schließlich auch außerhalb des weltweiten Internets und Darknet darauf aus, mit Kindern „in Kontakt“ zu kommen. Daher sollten Kinderschutzkonzepte in allen Organisationen und Institutionen etabliert, unterstützt und von geeigneter Stelle finanziert sowie kontrolliert werden.
Elternbildung – Unterstützung und Schutzkonzepte in Familien mit Kindern
Der jährliche Bericht der Kinder- und Jugendhilfe zeigt uns, dass die Gewaltform Vernachlässigung vor psychischer und körperlicher Gewalt rangiert. Sexualisierte Gewalt ist am Ende dieser Reihung nach gemeldeten Vorfällen zu finden. Die Dunkelziffer der Missbrauchsfälle „in den eigenen vier Wänden“ ist uns nicht bekannt, gleichzeitig gilt es leider als erwiesen, dass die Täter meistens im Verwandten und Bekanntenkreis des betroffenen Kindes zu finden sind.
Elternbildung für und die Kontaktaufnahme mit allen Familien mit Kindern, spätestens mit der Geburt eines Kindes (Eltern-Kind-Pass) durch vorhandene psychosoziale Experten*innen können hier wertvolle Verbesserungen im gewaltfreien Umgang mit Kindern und der Vermeidung von Übergriffen bewirken.
Sexualpädagogische Informationen für Erwachsene und Kinder
„Wie sag ich’s meinem Kind“ ist der passende Titel eines „Smart Coaching“ - Elternfachvortrages der psychosozialen Beraterin Cornelia Türke. Eltern können mit diesem Wissen von klein auf ihre Kinder bei ihrer Entwicklung unterstützen. Sexualität von Kindern hat mit der von Erwachsenen nichts gemein und aus Unwissenheit wird den Kindern leider manchmal gar nichts oder etwas Ungeeignetes vermittelt.
Weiterführend sollte in Kindergärten und Schulen unter Zuhilfenahme von Büchern und gerne auch externen Fachkräften geschult und täglich mit gutem Beispiel vorangegangen werden.
Pädophilen-Handbuch und Kinder-Sex-Puppen in Österreich per Gesetz verbieten
Es ist uns Kinderschützer*innen unverständlich, dass es in Österreich noch immer gestattet ist, ein Handbuch für Pädophilie zu erwerben (Download aus dem Darknet) bzw. zu besitzen. Andere Länder (z.B. Dänemark) sind uns hier voraus und haben dieses Buch verboten, welches Anleitungen enthält, wie Kleinkinder und Kinder für die eigenen Zwecke missbraucht werden können, ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen.
Kinder-Sex-Puppen dienen hierbei, laut unserem Wissen, zu Übungszwecken und schützen nicht vor tatsächlichen Übergriffen an Kindern, wenn die Gelegenheit dafür durch Täter*innen hergestellt wurde.
Ein diesbezüglicher Entschließungsantrag wurde schon am 15. Juni 2022 im Parlament eingebracht und ist unter dem Link einsehbar.
Angebote für Pädophile Menschen und Täter*innen-Arbeit sind ein Beitrag zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor (sich wiederholenden) Missbrauch
Nicht jeder pädophile Mensch ist aus seiner Neigung zu minderjährigen Kindern oder bei einer bestehenden Hebephilie (Kinder im pubertären Alter von 11 bis 16 Jahren) ein Täter oder eine Täterin. Ein Ausbau und die Bewerbung von Angeboten, die für Pädophile/Hebephile gut zugänglich (anonym und kostenlos) sind, können den präventiven Schutz vor Missbrauch erhöhen.
Die Arbeit mit bestätigten, verurteilten Tätern*innen in Strafanstalten oder wie im Fall Florian Teichtmeister „auf freiem Fuß“ kann ebenfalls dazu beitragen, dass diese von zukünftigen Gräueltaten ablassen.
Erhöhung des Strafrahmens und dadurch Stärkung der polizeilichen Ermittlungsbefugnisse bei Online-Kindesmissbrauch
Am Ende unserer Aufzählungen, steht der Ausbau der Möglichkeiten einer Verurteilung eines überführten und verurteilten Schuldigen oder einer Schuldigen. Höhere Strafen verhindern laut Expertenmeinung kaum ein Verbrechen, was durchaus glaubwürdig erscheint, da in Ländern mit „Todesstrafe“ trotzdem Verbrechen verübt werden. Gleichzeitig ist ein höherer Strafrahmen, laut Auskunft des Innenministeriums, notwendig, um die polizeilichen Ermittlungsbefugnisse erweitern zu dürfen und den Ermittlern und Ermittlerinnen hierfür „stärkere Werkzeuge“ in die Hand geben zu können.
Für uns stehen die Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalttaten an Kindern und Jugendlichen (Prävention) an oberster Stelle. Trotzdem sollte das Strafausmaß für Verbrechen an Kindern so gestaltet sein, dass dieser gegenüber anderen Delikten nicht geringschätzig wirkt. Ein Ausdruck von Wertigkeit, wie wichtig einer Gesellschaft eines Landes die von Gesetz aus Schutzbefohlenen sind, ist ein solcher auf alle Fälle.
Sascha Hörstlhofer
Martina Lemp
Quellenangabe:
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