So viel Aufregung in den letzten Tagen!
Es besteht der schreckliche Verdacht, dass mehrere sexuelle Übergriffe an Kindergartenkindern durch einen Pädagogen begangen wurden und man außerdem versucht habe, diesen nicht an die Öffentlichkeit geraten zu lassen.
Was mögen sich wohl die Kleinen denken, die jetzt die Empörung und Wut auf Seiten der Erwachsenen beobachten? Verstehen die Kinder worum es überhaupt geht? Und welche Ängste löst das Geschehene bei den Eltern aus? Sind unsere Kinder sicher in den öffentlichen Einrichtungen? Kann das meinem Kind auch passieren?
Die Wahrheit ist leider, es kann jedem Kind passieren. Täglich. In der Familie, im Freundeskreis, in Kindergarten und Schule, am seltensten ist der berüchtigte „Fremde“ der Täter.
Gibt es die Möglichkeit, unsere Kinder wenigstens zum Teil davor zu schützen? Gibt es!
Und diese Prophylaxe beginnt in unserer Gesellschaft und unserer Einstellung:
Ich denke, ein großer Schritt wäre schon getan, wenn Kinder erst dann in öffentliche Einrichtungen kämen, wenn sie keine Windel mehr brauchen. Solange sie Wickelkinder sind, haben zu viele fremde Menschen „Zugriff“ auf ihren Intimbereich. Wenn Kinder etwas älter sind und sprechen können, haben sie die Chance „Nein“ zu sagen, bzw. zu Hause zu berichten, wenn etwas „schief“ läuft. Wenn gewickelt werden muss, sollten PädagogInnen mindestens zu zweit sein. Familien müssten mehr Unterstützung darin bekommen, dass sie ihre Kinder länger in ihrer Obhut haben, und trotzdem beide Elternteile ihren Job nicht verlieren oder in ein finanzielles Desaster stürzen.
Üben Sie mit Ihrem Kind „Nein“ sagen. Ein deutliches „Nein“, das keine Fehlinterpretationen zulässt. Meine Kinderbuchempfehlungen hierzu: „Das große und das kleine Nein!“ von Gisela Braun und Dorothee Wolters.
Wenn wir unsere Babys und Kinder waschen, kommentieren wir das oft so oder ähnlich:
„So, mein/e Kleine/r, jetzt waschen wir das Gesicht, nun kommt der Hals dran, nun der Bauch; die Händchen und Arme dürfen wir nicht vergessen. Und die Beinchen sind jetzt auch wieder sauber.“
Fällt Ihnen was auf? Entweder dieses Kind hat weder Brust, Po, Penis und Hoden, bzw. eine Vulva, oder die Erwachsenen „vergessen“ regelmäßig, diese Körperteile zu erwähnen. Und das zieht sich wie ein roter Faden durch die weitere Kindheit: Plötzlich wachsen uns Körperteile, die es in keinem Anatomiebuch gibt: Mumu, Spatzerl, Pipimann, Schneckerl, usw, usw.
Eigenartigerweise ist mir noch nie jemand untergekommen, der sich Ersatznamen für Köpfe, Arme, Beine, Bäuche, Hände und Füße ausdenkt. Was haben wir Menschen gegen unsere Geschlechtsteile? Sehen bestimmte Körperteile so furchtbar aus, dass wir sie nicht beim Namen nennen können? Dass wir sie umschreiben und somit totschweigen?
Kinder, die wissen, wie die Körperregionen, die sie nicht jedem zeigen wollen, die auch nicht jede/r angreifen darf, richtig heißen, können sie auch besser beschützen! Diese Kinder können wesentlich deutlicher sagen, wenn sie nicht berührt werden möchten: „Hände weg von meinem Po, meiner Brust,......“
Ich denke, hier ist Umlernen von uns Erwachsenen gefragt. Denn auch wir sind zu einem großen Teil mit unbekannten Körperregionen groß geworden.
Nehmen Sie Ihr Kind ernst! Wenn es nicht will, dass es lieb – und gutmeinende Verwandte und Freunde küssen, streicheln, in den Arm nehmen, dann will es das nicht, Punkt!
Die betreffenden Erwachsenen müssen lernen, mit dem Frust umzugehen, nicht umgekehrt.
Sicher braucht so manches Kind dann erstmal die Unterstützung seiner Eltern, die sein „Nein“ verstärken und somit gleichzeitig vorleben, für sich zu sorgen und anderen zu helfen.
Wenn aber eines Tages doch passiert, wovor wir unsere Kinder bewahren wollen: Nehmen Sie Ihr Kind ernst, glauben Sie ihm! Holen Sie sich Hilfe bei Kinderarzt, Kinderschutzbund, Beratungsstellen, besprechen Sie das weitere Vorgehen mit Ihrem Partner/ Ihrer Partnerin, beraten Sie sich mit guten Freunden.
Nur eines sollten Sie nicht tun: NICHTS!
Ihr Kind braucht Sie jetzt und erwartet Ihre Hilfe und Unterstützung und dass jemand für sie/ihn einsteht. Bei einer Lungenentzündung denken wir ja auch nicht, dass schweigen und vergessen zur Heilung führt, sondern suchen Fachleute auf.
Cornelia Türke
Cornelia Türke
Als geborene Wienerin kam sie Anfang 2018 nach über 30 Jahren in Deutschland nach Österreich zurück. Sie lebt nun in Rabenstein/Pielach und arbeitet im Mostviertel und in Wien. In ihrer Praxis bietet sie psychologische Beratung, Coaching, EMDR,
Eltern -und Erziehungsberatung, Paarberatung und Prüfungscoaching an.
Seit 2018 arbeitet sie ehrenamtlich für den Österreichischen Kinderschutzbund - Wien
Übrigens – auch wir, Österreichischer Kinderschutzbund, setzen uns täglich dafür ein, dass Kinder in behütenden Familien aufwachsen. Wir bieten Elternkurse, Vorträge, und Beratungen kostenlos für Eltern an. Wir sind überzeugt davon, dass gestärkte Eltern ihre Kinder stark machen und sind gleichzeitig traurig darüber (oft auch sprachlos und wütend), dass diese Arbeit von staatlicher Seite kaum beachtet, wenig wertgeschätzt und nur minimal finanziell unterstützt wird.
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